Kulturelle Unterschiede im englischsprachigen Ausland

Warum Amerikaner (Briten, Kanadier) nicht sagen, was sie meinen

Hey, how are you? fragt der Amerikaner und ist dann überrascht, wenn der Deutsche erzählt, sein Frettchen sei gerade überfahren worden. Just come on over sometime! sagt der Brite und ist entsetzt, wenn der Deutsche irgendwann wirklich vor der Tür steht. Angelsachsen meinen nicht immer, was sie sagen, Deutsche dagegen meist schon. Kommen die beiden Kulturen zusammen, gibt es ganz andere Probleme als nur den Händedruck.
Denn Amerikaner, Briten, Kanadier und die anderen aus diesem Kulturkreis sprechen in gewissen Situationen verschlüsselt. Das gebietet die Höflichkeit. Es gilt zum Beispiel alsunhöflich, direkt no zu sagen und daher wird etwas anderes gesagt, das jeder andere Angelsachse als ein “Nein” versteht, aber nicht “Nein” heißt.

Auf die Frage an die beste Freundin, wie einem ein Kleid steht, wird eine Deutsche vielleicht das Gesicht verziehen und “Du, nicht wirklich” sagen oder “Ich weiß nicht, ob es dir so gut steht”, eine Amerikanerin aber eher etwas wie “Würde blau nicht besser zu deinen Augen passen?”. Für eine Amerikanerin heißt das, du siehst aus wie eine Vogelscheuche mit einem Drogen-Problem, während eine Deutsche das Gefühl hat, man redet aneinander vorbei.

Andere Beispiele: Bei einer Diskussion mit Amerikanern heißt I wonder if this is really the best solution übersetzt “nein”. I’m wondering if we might need more time heißt “nein” und We might want to review some parts of the project  heißt “nein”. Amerikaner sind verwirrt (oder schlicht sauer), wenn Deutsche nach solchen Sätzen kurz überlegen und sagen, nee, so ist’s gut, und dann einfach weitermachen. Aus der Sicht des Amerikaners war die Aussage klar und deutlich.

Die Regel gilt auch für den Alltag. Ein höflicher Kanadier wird nicht sagen, dass ihm ein Geschenk nicht gefällt, denn das würde sich nicht gehören und könnte die Gefühle des anderen verletzten. Und das ist – um zum zentralen Punkt der Geschichte zu kommen – im Zweifelsfall wichtiger als die reine Wahrheit. Deswegen sagt man es – wenn überhaupt – verschlüsselt, und weil der andere den Code kennt, versteht er es und alles bleibt höflich. Nicht umsonst gibt es im Englischen die Begriffe little white lie und polite lie, die beide wesentlich schwächer sind als eine “Notlüge”: Es handelt sich um eine gesellschaftlich akzeptierte, mehr noch, eine gesellschaftlich vorgeschriebene Flunkerei.

Das wirft die Frage auf, wie Briten & Co. reagieren, wenn ihnen wirklich ein Geschenk gefällt. Kurz gesagt, sie flippen völlig aus. Das wollte ich schon immer haben, Liebling, schau her, was sie mir gebracht haben, schon als Kind, nein, bereits vor der Geburt wollte ich genau das haben, warte, bis es die Nachbarn sehen, vielen, vielen, vielen dank,. Wenn einem als Deutscher die ganze Situation schon peinlich wird und man sich langsam fragt, ob man veräppelt wird, ist es genau richtig.

So anstrengend glückliche Angelsachsen für Deutsche sein können: Umgekehrt ist das Problem ernster. Ein Amerikaner, der einem Deutschen ein Geschenk macht, ist eigentlich immer enttäuscht, denn Deutsche flippen bei so etwas nie aus.

Jetzt kommt der Teil, der einigen interessierten Lesern nicht unbedingt gefallen dürfte: Die gerade beschriebenen Prinzipien gelten ganz besonders für das Verhalten von Angelsachsen im Ausland, also in unserem speziellen Fall für das von Amerikanern in Deutschland. If you don’t have anything nice to say, don’t say anything, schärft man den Kiddies ein und so halten sie im Urlaub oder beim Austauschprogramm den Mund: Kritik am Gastgeber ist so ziemlich der Gipfel der Unhöflichkeit.

Für Deutsche ist das frustrierend. Wenn jemand einige Zeit in einem Land verbracht hat, gehen sie davon aus, dass es Dinge gibt, die einem nicht gefallen haben – natürlich. Es gilt als “ehrlich”, diese anzusprechen und eine “differenzierte” Meinung als ein Zeichen eines kultivierten, kritischen Geistes. Wer alles toll, super und spitze findet, gilt als dumm, leichtgläubig, oberflächlich – letzteres ist nicht umsonst eines der häufigsten deutschen Vorurteile über Amerikaner. Aus US-Sicht ist das in gewisser Weise ein Kompliment.

Zwar ist das Prinzip solcher kulturellen Codes den meisten Deutschen von Ländern wie Japan bekannt, wo offenbar “nein” nur deswegen im Wörterbuch steht, weil es eben auch ein „ja“ gibt. Bei den Briten oder Amerikanern erwarten sie es aber komischerweise nicht. Es wird auch nicht im Englischunterricht vermittelt. Es bleibt dem Leser als Übung überlassen sich vorzustellen, wie das normale Verhalten von deutschen Austauschschülern in London, New York oder Ottawa wirkt. How did you like your stay? heißt es dann am Ende, und jedes Jahr laufen dann tausende nichts ahnende deutsche Kinder ins kulturelle Messer.

Wird Deutschen mit viel Kontakt zu Angelsachsen zum ersten Mal klar, dass es einen Code gibt, bricht schon mal Panik aus. Jeder Satz, jede Äußerung wird hinterfragt: Meint er das oder sagt er es nur, weil er höflich ist? Und wie verhalte ich mich denn? Man muss zuerst damit leben lernen, dass man einige Dinge nicht erfahren wird. Ein guter Gast wird bei einem immer das Gefühl geben, dass man sein Leben verändert hat. Wer es sich nicht darauf beruhen lassen kann oder will, muss mitdenken, sich in den anderen hineinversetzen und sich auf seine Empathie verlassen. Wer selbst Gast ist, spart sich bitte seine Kritik für sein Tagebuch auf und konzentriert sich auf einen möglichst konkreten Punkt, der dann ehrlich gelobt wird, oder zumindest so ehrlich wie möglich. It was different heißt übrigens übersetzt “es war schrecklich”. So einfach kommt man nicht davon.
Eine weitere Faustregel ist das oben beschriebene Prinzip, dass viele Dinge auf Deutsche übersteigert wirken (Vorsicht aber bei Amerikanern, die lange genug in Deutschland leben und wissen, welche Reaktion angebracht ist). Hilfreich ist auch die “Dreierregel”: Wenn ein Angelsachse drei Mal etwas sagt (Please come visit us again!) und man schon leicht genervt ist, dann gilt es mit ziemlicher Sicherheit. Einmal ist dagegen kein Mal.
Am Ende sollte man sich aber auch vor Augen halten: In keinem Land erwartet man von einem Ausländer ein völlig “korrektes” Sozialverhalten. Die meisten Amerikaner wissen, dass Deutsche, sagen wir mal, direkter sind. Einen gewissen Spielraum hat man also schon, so lange man nichts dagegen hat, Stereotypen zu bedienen.

Wer die Regeln kennt, oder wenigstens von ihnen weiß, kann sie dann auch gezielt brechen. Die Schönste Germanin benutzt hin und wieder die Einleitung I’m German, so I’m sorry if this seems like a direct question, die jedem Angelsachsen in Hörweite das Blut gefrieren lässt. Ist der Ruf erst ruiniert …
Quelle: http://usaerklaert.wordpress.com/2006/09/18/warum-amerikaner-briten-kanadier-nicht-sagen-was-sie-meinen/ - September 18, 2006

 

Kulturelle Missverständnisse per Händedruck

Man kommt zwangsläufig auch oft in Situationen, wo man Amerikanern etwas über Deutschland erzählen soll.
Deutsche lieben es, sich die Hand zu geben. Sie können nicht genug davon kriegen. Sie tun es vor einer Geschäftssitzung und nach einer Geschäftssitzung, sie tun es mit Unbekannten, mit Bekannten, mit Freunden, manchmal sogar mit ihrer eigenen Familie, selbst in ihren eigenen vier Wänden. Amerikaner, die sich nur beim ersten Kennenlernen und bei sehr formellen Anlässen die Hand geben, kommen sich vor wie in einem Trainingscamp für Nachwuchspolitiker. Wer wem wann in Deutschland die Hand zuerst gibt ist für sie am Anfang ein schwieriges Thema.

Nun wäre das alles nur einer dieser lustigen kulturellen Unterschiede wie die Sache mit den Tischmanieren, wenn es nicht ein gewisses Detail bei der Ausführung des Händedrucks gäbe. Denn Deutsche machen beim handshake eine ganz kleine Verbeugung, ein kurzes Nicken, auch wenn es ihnen selbst oft nicht auffällt. Amerikaner bleiben dagegen kerzengrade stehen und halten den Kopf hoch.

Amerikanern fällt das deutsche Nicken auf, etwa so wie ein Deutscher merkt, wenn ein Japaner beim Händeschütteln instinktiv seine halbe Verbeugung macht. Sie finden es eher reizend und spekulieren schon mal, ob es ein Überbleibsel der ständigen Verbeugungen vor dem Lehnsherren ist – das Kaisertum wurde ja irgendwie erst Vorgestern oder so abgeschafft. Für sie gehört das zum Charme der Alten Welt. Nur der Handkuss macht mehr Spaß.

Die Probleme gibt es in der anderen Richtung. Der Deutsche merkt, dass irgendwas fehlt, dass der Amerikaner etwas ausgelassen hat, und empfindet ihn, ohne dass er genau sagen könnte, warum, instinktiv als arrogant, abweisend, im Extremfall hochnäsig – im wahrsten Sinne des Wortes. Und das, obwohl vielleicht noch kein Wort gewechselt wurde.

In Benimmregeln für Manager steht daher unter “Germany” auch schon mal etwas wie:
[A] handshake may be accompanied with a slight bow. Reciprocating the nod is a good way to make a good impression, as failure to respond with this nod/bow (especially a superior) may get you off to a bad start.

Was zeigt uns dieses Beispiel? Das selbst die grundlegendsten Dinge in den USA anders ablaufen können als in Europa. Amerikaner sind (inzwischen) mehr als nur “herausgeworfene Europäer”, zumindest was ihr Verhalten angeht. Die Unterschiede im täglichen Umgang sind zwar nicht so groß wie bei, sagen wir mal, den Chinesen. Aber sie sind da und wenn man sie ignoriert, gibt es Probleme.
Die gute Nachricht: Wer erstmal weiß, dass es diese Unterschiede gibt, kann sich wappnen. Wir müssen sie nur etwa 300 Millionen Amerikanern und 80 Millionen Deutschen erklären. Verglichen mit anderen Herausforderungen – die Sache mit dem Popcorn zum Beispiel – ist das eine reine Fleißarbeit.
Quelle: http://usaerklaert.wordpress.com/2006/09/18/warum-amerikaner-briten-kanadier-nicht-sagen-was-sie-meinen/ - August 27, 2006